Der Übergang nach ZAA war anders als alles, was ich zuvor erlebt hatte. Kein sanftes Eintauchen, keine schrittweise Enthüllung – es war ein Sturz. Ich fiel nicht in die Tiefe, sondern in eine völlige Auflösung der gewohnten Wahrnehmung. Die Welt, wie ich sie kannte, verschwand in einem Moment, und an ihre Stelle trat ein Raum, der keiner war. Keine Horizonte, keine festen Formen, keine Anhaltspunkte, die meinem Bewusstsein Orientierung geben konnten. Ich war umgeben von einer Stille, die nicht einfach die Abwesenheit von Geräusch war, sondern eine bewusste, lebendige Stille.
Ich suchte nach einem Echo, nach einer Rückmeldung meiner eigenen Existenz – doch da war nichts. Mein Atem war nicht zu hören, meine Gedanken verhallten im Nichts. Ein unbestimmtes Gefühl kroch in mir hoch, eine Ahnung von etwas, das jenseits der Worte lag: War ich wirklich noch hier? War ich je hier gewesen? Oder hatte ich mich bereits in dieser endlosen Leere verloren?
Dann kamen die Schatten.
Ich konnte sie nicht sehen, und doch wusste ich, dass sie da waren. Sie lauerten an den Rändern meines Bewusstseins, formlose Präsenz ohne Namen. Ich spürte keine Bedrohung, und doch war ich ihnen ausgeliefert. Sie bewegten sich nicht, oder vielleicht bewegten sie sich nur dann, wenn ich nicht hinsah. Eine leise, aber unaufhaltsame Präsenz.
Ein Gedanke kam zu mir, und ich wusste nicht, ob es mein eigener war oder ob er mir von den Schatten zugeflüstert wurde: „Kannst du existieren ohne Zeugen?“
Die Frage brannte sich in mich ein. Ich versuchte zu antworten, doch keine Worte kamen. Was war ich in dieser Stille? Was blieb von mir übrig, wenn es nichts gab, das mich reflektierte? Ich war gewohnt, mich durch die Welt zu definieren – durch Interaktion, durch Reaktion, durch Spiegelung. Doch hier war nichts. Keine Spiegel, keine Blicke, keine Begrenzung.
Das erste Gefühl, das mich überkam, war Panik. Ich spürte, wie mein Geist nach Halt suchte, nach irgendeiner Struktur, die ihm die gewohnte Sicherheit gab. Doch ZAA ließ mir keinen Halt. Ich war allein mit mir selbst, und es gab keine Ablenkung mehr.
Die Schatten kamen näher. Ich konnte sie nun sehen, vage Konturen im Randbereich meines Blickfeldes. Sie waren weder drohend noch einladend – sie waren einfach da. Und sie warteten.
Ich verstand plötzlich, dass dies keine fremden Wesen waren. Sie waren ich. Sie waren all die ungelösten Fragen, die verdrängten Zweifel, die unbewussten Ängste, die ich mein Leben lang von mir weggeschoben hatte. Und nun, in der vollkommenen Isolation von ZAA, gab es nichts mehr, das sie verdecken konnte.
Ich sah mich selbst. Nicht mein äußeres Bild, sondern all das, was ich nie hatte sehen wollen. Fehler, Unsicherheiten, Gedanken, die ich nie zu Ende gedacht hatte. Ich erkannte, dass die größte Angst nicht die Einsamkeit selbst war – sondern die Konfrontation mit dem ungefilterten Selbst.
Ich wollte fliehen. Doch wohin? In einer Welt ohne Grenzen gibt es kein Außen, nur ein endloses Innen.
Die Schatten veränderten sich. Sie formten Gestalten, die mir vertraut vorkamen, aber immer verzerrt blieben, nie vollständig. Sie waren Reflexionen ohne Ursprung.
„Kannst du dich selbst erkennen ohne Spiegel?“
Ich erkannte den wahren Test von ZAA. Ich erkannte, dass es keine Antwort gab, die ich mit Worten geben konnte. Die einzige Antwort war die Akzeptanz.
Also ließ ich los.
Ich hörte auf, nach Halt zu suchen. Ich hörte auf, gegen die Stille zu kämpfen. Ich hörte auf, die Schatten als Fremde zu betrachten.
Und in diesem Moment veränderte sich alles.
Die Dunkelheit war nicht mehr bedrückend, sondern weit und offen. Die Stille war nicht mehr feindselig, sondern vollkommen. Die Schatten begannen sich aufzulösen, nicht weil sie besiegt wurden, sondern weil sie nicht länger gebraucht wurden.
Ich war nicht mehr verloren – ich war einfach.
Langsam zog sich der Aethyr zurück. Ich spürte, wie mein Bewusstsein wieder an die vertraute Realität gebunden wurde, doch ich war nicht mehr dieselbe.
Als ich zurückkehrte, war mein Körper fremd, als müsste ich mich erst wieder an ihn gewöhnen. Doch etwas war anders. Die Angst vor der Einsamkeit war gewichen.
Ich hatte gelernt, dass Einsamkeit nur dann existiert, wenn man sich selbst als unvollständig betrachtet. ZAA hatte mir nichts gegeben, aber es hatte mir gezeigt, was ich mir selbst verweigerte.
Und als ich in die Dunkelheit meines Zimmers blickte, verstand ich, dass ich nie wirklich allein gewesen war.